Unerfüllter Kinderwunsch – kann auch die Schilddrüse schuld sein?

Kinderlose Paare sollten immer auch an eine Schilddrüsenerkrankung als mögliche Ursache denken. Die Schilddrüse beeinflusst als übergeordnetes Organ unter anderem die Funktion weiterer Hormondrüsen, so auch die der Hoden und Eierstöcke.

Eine Funktionsstörung (Überfunktion oder Unterfunktion) kann daher zu Zyklusstörungen (Verkürzung oder Verlängerung) führen oder sogar ein Ausbleiben der Menstruation verursachen.

 


Schilddrüsentherapie bei unerfülltem Kinderwunsch

Alle Patientinnen mit unerfülltem Kinderwunsch und TSH >2.5 sollten vor Therapiebeginn einer weiteren Schilddrüsenabklärung zugeführt werden (Schilddrüsenultraschall, Bestimmung der Schilddrüsenautoantikörper, eventuell Szintigraphie). Nachdem die zugrundeliegende Krankheit diagnostiziert wurde, wird eine Therapie mit Levothyroxin eingeleitet. Drei Monate nach Therapieeinleitung erfolgt eine Kontrolle der Schilddrüsenfunktion (Bestimmung TSH, fT4), TSH-Werte um 1 sind anzustreben. Es werden Kontrollen in zumindest dreimonatigen Abständen durchgeführt.

 

Hat eine Jodunterversorgung Folgen für die Fertilität?

Frauen mit ausgeprägter Unterfunktion der Schilddrüse sind oft infertil, zeigen Zyklusstörungen bis zur Amenorrhoe und Menorrhagien sowie anovulatorische Zyklen. Da auch ein lange bestehender alimentärer Jodmangel zu einer Jodverarmung der Thyreozyten und damit zu einer latenten oder manifesten Hypothyreose führen kann, ist es nicht überraschend, dass Frauen in 15% laborchemisch eine hormonelle Minderleistung der Schilddrüse durch eine Erhöhung des basalen TSH-Spiegels im Serum und eine Erniedrigung der Serum-Konzentration für das freie Thyroxin festellen konnten. Überraschend war auch eine relativ hohe Inzidenz von blande verlaufenden Hashimoto-Thyreoiditiden, die durch die Bestimmung der thyreoidalen Peroxidase-(TPO-)Antikörper nachgewiesen wurden.

Durch Gabe von Jodid oder einer Kombination von Jodid und Levothyroxin konnte innerhalb von drei bis sechs Monaten eine Reduktion des Schilddrüsenvolumens um durchschnittlich 10-20% erreicht werden.

 

Darüber hinaus sind in den letzten Jahren zahlreiche Studien vorgelegt worden, die auch bei klinisch nicht manifesten Schilddrüsenfunktionsstörungen Beeinträchtigungen der Fertilität nahe legen, die praxisrelevant sind und auch therapeutisch im signifikanten Umfang beeinflusst werden können.

Bei der geschlechtsreifen Frau mit Hypothyreose finden sich in einem hohen Prozentsatz erhöhte Prolaktin-Konzentrationen, wahrscheinlich als Folge der gesteigerten endogenen TSH-Sekretion. Die Hyperprolaktinämie führt zu einer Corpus-luteum-Insuffizienz.

Zyklusstörungen bestehen bei Hypothyreose häufig auch dann, wenn keine Hyperprolaktinämie vorliegt, so dass bei der Abklärung einer Sterilitäts- bzw. Infertilitätsproblematik grundsätzlich die Abklärung der Schilddrüsenfunktion unter Einschluss eines TRH-Testes folgerichtig erscheint.

 

Sollten Frauen mit Kinderwunsch frühzeitig auf eine ausreichende Jodversorgung achten?

Die Prophylaxe der Hypothyreose mit Jod gehört zu jenen DingenWer nicht gerade eine extreme Diät ohne Fleisch und Salz erhielt, wurde ausreichend mit Jod versorgt, ob er wollte oder nicht - und ob es ihm nützte oder schadete.

Da Jod keine "Chemie" darstellt, sollten Frauen mit Kinderwunsch frühzeitig auf eine ausreichende Jodversorgung durch Einnahme von Jodid-Tabletten hingewiesen werden.

 

Welche Folgen hat eine Jodunterversorgung für Feten bzw. Säuglinge?

Unabhängig von der Schilddrüsenfunktion und unabhängig von einer eventuellen Schilddrüsenkrankheit der Mutter entwickelt sich die fetale Schilddrüse in folgenden Schritten:

3.SSW

Wanderung der Schilddrüse vom Zungenboden nach kaudal.

5.SSW

Zweilappige Anlage der Schilddrüse vor dem Schildknorpel.

10.-12. SSW

Beginn der Synthese der Aminosäure Tyrosin in der Schilddrüse. Beginn der thyreoidalen Jodaufnahme und Synthese der Schilddrüsenhormone durch Jodierung von Tyrosin zu Monojodtyrosin und Dijodtyrosin sowie durch Kopplung von Monojodtyrosin und Dijodtyrosin zu Trijodthyronin (T3) bzw. von zwei Dijodtyrosin-Molekülen zu Tetrajodthyronin (Thyroxin = T4).

SSW = Schwangerschaftswoche

 

Da die Plazenta für Hormone der Achse Hypophyse-Schilddrüse, d.h. TSH, T3 und T4, nahezu undurchlässig ist, unterliegt die Steuerung der mütterlichen bzw. der kindlichen Schilddrüsenfunktion autonom funktionierenden Regelkreisen. Plazentagängig ist lediglich der Schilddrüsenhormonbaustein Jodid, so dass spätestens ab der 10. bis 12. Schwangerschaftswoche, mit Beginn der Hormonsynthese in der kindlichen Schilddrüse, zur Verhinderung einer Strumaentwicklung beim Feten oder einer durch Jodmangel induzierten Reifestörung der Schilddrüse durch prophylaktische Gabe von täglich 200 µg Jod in Form von Jodid-Tabletten vorgebeugt werden sollte.

Da sich die Schilddrüse des Feten autonom entwickelt, hat eine Jodmangelstruma bei der Mutter mit peripher euthyreoter Stoffwechsellage für das Kind insofern Bedeutung, als in jedem Fall neben dem Levothyroxin zur Entlastung der mütterlichen Schilddrüse auch Jod, insbesondere bei familiärer Kropfdisposition, prophylaktisch unbedingt erforderlich ist.

Häufig sind Schwangere gegenüber einer medikamentösen Therapie äußerst zurückhaltend. Es ist Aufgabe des betreuenden Arztes, zur Erhöhung der Compliance die Schwangere ausführlich und umfassend zu beraten, dass das heranwachsende Kind ab der 10. bis 12. Schwangerschaftswoche zusätzlich Jod als wichtige Substanz für die ungestörte geistige und körperliche Entwicklung benötigt.